Presse


Murnauer Tagblatt  19. Juni 2008

Erotische Verse aus der Heiligen Schrift

„Art Cappella“ und Christian Jungwirth überzeugen mit Salomos „Das Lied der Liebe“

Ein Artikel von Andreas Röder

GARMISCH-PARTENKIRCHEN – Es war eine Veranstaltung, die unter die Haut ging: Minutenlanger Applaus und stehende Ovationen krönten die Darbietungen des Chores „Art Cappella“ und von Sprecher Christian Jungwirth nach dem Auftaktkonzert „Das Lied der Liebe“ in der bis auf den letzten Platz gefüllten Alten Garmischer Kirche. Eingestreut zwischen Lied-Kompositionen aus einer Zeitspanne von 1000 Jahren und zwei Uraufführungen von Chorleiter Manfred Böhm und dem Leiter des Murnauer Kammerorchesters, Christoph Garbe, rezitierte Jungwirth die gefeierte Übersetzung des als „Hohelied Salomos“ bekannten „Lied der Liebe“ von Klaus Reichert aus dem Alten Testament.

Der schnörkellose Vortrag – ohne Pathos und stilistische Übertreibungen – war ganz auf den beschwörenden Charakter des Textes konzentriert und korrespondierte nach dem Vorbild eines Oratoriums wechselseitig mit der Musik. Auf diese Weise ließen die 35 Sänger und Sprecher Jungwirth ein Gesamtkunstwerk von eindringlicher Schönheit entstehen.

Und mal ehrlich: Welche Frau hat nicht schon einmal davon geträumt, Worte wie diese von ihrem Liebsten zu hören? „Wie schön – deine Schritte in den Sandalen, Fürstentochter, die Rundungen in deiner Gesäßgegend – diese Pracht, ein Werk von Meisterhand. Dein Schoß – ein tiefer Kelch, dem der Würzwein nie fehlt. Dein Bauch – ein Weizenhügel mit Hyazinthen umsteckt. Deine Brüste – wie zwei Kitzchen, ein Gazellenpärchen.“ Dazu jenes unvergleichliche „Vulnerasti cor meum“ (Mein Herz hast du betört) von Heinrich Schütz (1585 bis 1672), das aus der Tiefe des Chorraumes gesungen, wie ein Strahlenkranz zum Himmel emporsteigt.

Doch auch der Lobgesang auf den Geliebten lässt sich hören: „Seine Hände voll Gold, mit Tarish-Stein besetzt. Sein Bauch – glattes Elfenbein, mit Lapislazuli bedeckt. Seine Schenkel – Marmorsäulen, fest auf Sockeln von Gold. Sein Anblick – wie der Libanon, erlesen wie Zedern.“ Dann ein Lied, wie „Veni, dilecte mi“ (Komm erfreue mich) von Giovanni Palestrina (1525 bis 1594), nicht ganz unähnlich dem „Vien!“ (Komm!), gehaucht von Jane Birkin in dem Klassiker erotischer Liedkunst von Serge Gainsbourg „Je t'aime“ aus dem Jahr 1969.

Selbstredend war und ist das „Hohelied Salomos“ aufgrund seines eindeutig erotischen Charakters bis heute umstritten. Dazu die Veranstalter in einem Faltblatt: „Wie konnte denn ein solches Maß an Erotik in die Heilige Schrift eingeführt werden? Noch heute scheint das schwer zu verstehen, haftet der Kirche doch eher ein körperfeindliches Image an.“ Das war aber nicht immer so. Schon im 2. Jahrhundert „stellte der einflussreichste der jüdischen Gesetzeslehrer, Rabbi Akiba, klar, dass es sich hier um die Heiligste aller biblischen Schriften handelt.“

 



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Unsere dritte CD
"LIED DER LIEDER"
Vertonungen vom Hohelied Salomos. Sprecher: Christian Jungwirth. Konzertmitschnitt vom Juni 2008

Unsere zweite CD
"LUX AURUMQUE"
mit Chormusik des 19. bis 21. Jhdt.

Unsere erste CD
"MUSIK ZUR WEIHNACHT"
mit Werken von Palestrina bis Strawinsky